Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Die NZZ bei den Rechtsnationalen

Die NZZ hat am 16. Mai 2019 den rechtsnationalen ehemaligen Goldman-Sachs-Mann und Trump-Gehilfen Steve Bannon vor den Wahlen zum Europäischen Parlament in Berlin zu einem grossen Interview eingeladen.

Das Interview trägt als Schlagzeile den Ausspruch von Bannon an die Adresse der NZZ: „Jeder Tag in Brüssel wird Stalingrad sein“.

Der befragende Journalist Marc Felix Serrano, Leiter des NZZ-Büros Berlin, lässt diese miserable Kriegsrethorik ohne Nachfrage stehen. Die NZZ wählt sie als medienträchtige Schlagzeile.

Hitler hatte die Vernichtung von Stalingrad befohlen. Da dürfte man schon nachfragen.

Man lässt den Mann kritiklos plaudern – mit Grössenwahn und Eitelkeit: „Mein Leben ist der Arbeit an diesem populistisch-nationalistischen Projekt gewidmet. Weltweit.“

Bannon geht es – wie Trump – um die Rückkehr zum blutigen Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts in Europa. Die Europäische Union, die dem entgegensteht, muss beseitigt werden.

„America first“ und „MAGA“ (make america great again) muss auch den Europäern aufoktroyiert werden.

Seit seiner Entlassung als Chefstratege von Trump bereist Bannon Europa, um die hiesigen Rechtsnationalen, Le Pen, Meuthen, Weidele, Salvini, Wilders, Farage, Strache etc. für America First und gegen die EU zu mobilisieren.

Die NZZ lässt sich für den Bannon’schen Nationalismus instrumentalisieren. Blauäugig oder mit Absicht? Möchte die Zeitung den Rechtsnationalen in Europa Schub verleihen und damit den Rechtsnationalen im eigenen Land gefallen?

Kurz vor der Europa-Wahl. In der Meinung, Bannon und seine rechtsnationalen Kumpane seien gut für die Schweiz, weil schlecht für Europa?

Warum werden die Spitzenkandidaten der grossen Pro-Europäischen Parteien, Manfred Weber, Frans Timmermans, Guy Verhofstadt, nicht zu einem plakativen Interview eingeladen, wohl aber ein extremer Vertreter der Minorität der Rechtsnationalen?

Die rechtsnationalen Europa-Gegner machen im Europäischen Parlament nicht mehr als 15% aus. Daran wird sich kaum etwas ändern.

Wenn sich Bannon als Retter der amerikanischen Arbeiterklasse und des kleinen Mannes aufspielt, dürfte man ihn nach seiner Goldman-Sachs Karriere befragen. Und auch über das Trumpsche Immobilien- und Spielcasino-Imperium.

Die Ibiza-Story von Strache In Österreich bestätigt, wie die Rechtsnationalen in Sachen Geld und Macht im Staat wirklich ticken.

Wenn der Schweizer Geheimdienstchef Gaudin dazu verlauten lässt, es gelte ein Strache-Ibiza-Video in der Schweiz zu verhindern, zeigt das, wie weit die Dinge in den hiesigen Köpfen bereits gediehen sind.

Bis 2018 war Bannon Chef der US-Plattform Breitbart News, welche in den USA die Weltanschauung der identitären Alt-Right-Bewegung verbreitet. Breitbart wird vom US-Milliardär Mercer finanziert.

Dieser und Breitbart waren an Cambridge Analytica beteiligt. Jene Firma, die laut Bericht des britischen Unterhauses illegal die Brexit-Abstimmung pushte, um der Ideologie von Farage zum Durchbruch zu verhelfen.

Alt-Right gilt als rechtsextrem und versammelt die White Supremacists. Trumps Botschafter in Berlin, Grenell, gab in Breitbart News bekannt, er sei in Europa unterwegs, um die Führer der rechten Szene zu fördern.

All das hätte man im Interview kritisch hinterfragen können. Warum hat man es unterlassen? Sind Freiheit, Rechtsstaat, sozialer Ausgleich und Friede in Europa nichts mehr wert?

Gelten 250 Jahre nach der Aufklärung zur Sortierung der Menschheit wieder identitäre Werte wie Rasse, Nationalität, Hautfarbe, Religion und Geschlecht? Wiederholt sich die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts?

An der NZZ bleiben die Fragen hängen. Die Antworten stehen aus.

Die laufende Produktion von Nonsens aus der Küche von Trump und seinen Mitläufern hilft nicht.

Empfehlenswert für den Verkehr mit Identitären, Autoritären und Totalitären ist immer noch der Text von Hannah Arendt [1991] : Persönliche Verantwortung in der Diktatur.

24.05.2019

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